Staatsleistungen: HVD legt Eckpunkte zur politischen Debatte vor

Sechs Eckpunkte fordern die gleichberechtigte, nachvollziehbare und transparente Förderung aller anerkannten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.

„Keine Schlechterstellung derer, die bisher schon benachteiligt waren“ – So lautet ein zentraler Grundsatz des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) in der Debatte über Staatsleistungen an die großen Kirchen und andere Religionsgemeinschaften in der Bundesrepublik. Mit sechs eigenen Eckpunkten bezieht der Verband erstmalig konkret Stellung zu der Frage, mit welchen Zielen der Bund und die Länder den bis heute unerfüllten Auftrag des Grundgesetzes zur Ablösung der sogenannten historischen Staatsleistungen umsetzen sollen.

„Wir sehen einen großen weltschauungsrechtlichen Reformbedarf, der eine grundlegende Erneuerung des überkommenen Staatskirchenrechts abbildet“, sagte Frieder Otto Wolf, Präsident des Humanistischen Verbandes, zur öffentlichen Vorstellung des Eckpunktepapiers am Montagvormittag in Berlin. „Die sogenannten Staatsleistungen spielen hier eine zentrale Rolle, denn einige der damit verbundenen Zahlungen stoßen bei einem großen Teil der Bevölkerung zu Recht auf ein weiter wachsendes Unverständnis.“

Seit dem Jahr 1919 besteht laut dem später in das Grundgesetz aufgenommenen Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) der Auftrag: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“

Die damit gemeinten Zahlungen sind in den vergangenen Jahren vermehrt in die öffentliche, mediale und politische Kritik geraten, zuletzt besonders im Zuge von Enthüllungen zum Neubau der Residenz des früheren Bischofs von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst. Unter anderem der dabei entstehende Verdacht, dass in solchen Fällen auch allgemeine Steuergelder verschwendet werden, führt vor allem bei konfessionsfreien Menschen zur Empörung über nicht nachvollziehbare und intransparente finanzielle Verflechtungen zwischen Staat und Kirchen. Auf insgesamt 481 Millionen Euro beliefen sich hier im Jahr 2013 die finanziellen Leistungen an die großen Kirchen mit ihren rund 48,3 Millionen Mitgliedern.

Am 16. April 2014 hatte die Bundesregierung (Drs. 18/1110) zu einer entsprechenden Anfrage der Fraktion DIE LINKE (Drs. 18/903) im Deutschen Bundestag erklärt, dass sie auf Seiten des Bundes keinen Handlungsbedarf für den Erlass eines „Grundsätzegesetzes“ gemäß Artikel 140 Grundgesetz i.V.m. 138 Abs. 1 WRV sieht. „Den Ländern als Träger der Staatsleistungen steht es dagegen frei, einvernehmlich mit den Kirchen die Staatsleistungen zu verändern und neue Rechtsgrundlagen zu schaffen“, erklärte die Bundesregierung in ihrer Antwort weiter.

Die finanziellen Verhältnisse zwischen Staat und christlichen Religionsgemeinschaften sind in den vergangenen Monaten ebenfalls zum Thema von Kommissionen und Arbeitsgemeinschaften innerhalb mehrerer auf Bundes- und Landesebene vertretenen Parteien geworden.

Derartige Beziehungen gibt es auch über Zuweisungen im Kontext der sogenannten historischen Staatsleistungen hinaus, und nicht nur als rein zweckgebundene Mittel im Rahmen der Tätigkeiten als Träger der freien Wohlfahrtspflege. Sie existieren ebenfalls im Rahmen der staatlichen Kultur- und Grundrechtsförderung. Neben den Kirchen erhalten weitere Religionsgemeinschaften finanzielle Zuweisungen, darunter die Freireligiösen Landesgemeinden, die Jüdische Gemeinde in Deutschland wie auch einige Landesverbände im HVD und vereinzelte andere Organisationen konfessionsfreier Menschen. Die auf dem Zweck der Kultur- und Grundrechtsförderung fußenden Zuwendungen werden meist von Staatsverträgen zwischen den Ländern und den jeweiligen Gemeinschaften bestimmt.

Frieder Otto Wolf: „Reformen und Transparenz bei den finanziellen Verflechtungen zwischen dem Staat und den Religions- sowie Weltanschauungsgemeinschaften sind nicht nur notwendig, um die als nicht gerechtfertigt erkannten Zahlungen zu beenden, sondern auch damit legitime Zuwendungen für möglichst alle Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar werden. Die immer noch herrschenden Unklarheiten sind nicht nur eine ständige Quelle von Konfusion, Irrtum und Unverständnis bei vielen Menschen, und nähren grundsätzliche Zweifel an der Richtigkeit solcher Förderungen. Sie verdecken auch existierende Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten zwischen den jeweiligen Gemeinschaften.“

In den nun vom HVD vorgestellten Eckpunkten heißt es, der Verband „gewährleistet ein wertestiftendes Betreuungs-, Bildungs- und Kulturangebot für Kirchenferne, Atheisten und Agnostiker, das der Staat aufgrund seiner weltanschaulichen Neutralität selbst so nicht anbieten kann.“ Deshalb müsse ihm künftig nicht weniger, sondern mehr öffentliche Unterstützung zukommen.

Dies sei auch aus historischer Sicht politisch klar geboten, betonte Wolf schließlich. „Anders als manch konfessionelle Gemeinschaften haben während der Nazi-Tyrannei verbotene, enteignete und verfolgte Verbände, in deren Tradition wir uns organisatorisch und weltanschaulich befinden, keine Restitution erhalten. Diese fundamentale Beschädigung wurde in den neuen Bundesländern durch die SED-Diktatur noch vertieft. Im letzten Vierteljahrhundert haben die Angehörigen unseres Verbandes kontinuierlich deutlich gemacht, dass sie wertvolle und wertebildende Beiträge für die allgemeine öffentliche Kultur liefern. Wir erwarten deshalb, dass dies auch in den unbedingt notwendigen politischen Reformen im Bereich der staatlichen Zuwendungen an Kirchen und andere Weltanschauungsgemeinschaften entsprechend gewürdigt wird.“

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